Signal auf "Freie Fahrt" für die Strecke 700

Die Wien - Brucker- (Raaber) Eisenbahn und ihre Geschichte

Am 12.September 1846 hat die privilegierte Wien-Brucker- (Raaber) Eisenbahn den Betrieb aufgenommen. Ein Konsortium des ung. Magnaten und Bankiers Georg Freiherr v. Sina, Betreiber der 1842 in Betrieb gegangenen priv. Wien-Gloggnitzer-Eisenbahn, hatte die Konzession für die Wien-Brucker-Eisenbahn gegen den Willen des Hauses Rothschild, Eigentümer der priv. Kaiser Ferdinand Nordbahn (KFNB), über Betreiben des ungarischen Landtages erhalten. Die folgenden Betriebsjahre zeigten jedoch, dass die Rentabilität der Strecke nicht zufriedenstellend war. 1853 übernahmen aus strategischen Gründen (Bau der Semmeringbahn und Verlängerung der WienGloggnitzer-Eisenbahn bis Triest) die k.k. Staatsbahnen den Betrieb auf der Südstrecke. 1855 ist auf dem "Eisenbahnmarkt" der Monarchie das Finanzkonsortium "credit mobiliäre" der Gebrüder Periäre mit Sitz in Paris als Konkurrenz für die KFNB aufgetreten, gründete die priv. österr. ung. Staatseisenbahngesellschaft (STEG) und erhielt u.a. Konzessionen für den Bau und Betrieb von Neubaustrecken in der Ostregion, wie Stadlau-Marchegg (Pressburg), Stadlau-Brünn und für die Verbindung Stadlau-Simmering (mit Donaubrücke) verbunden mit der Nutzung des späteren Wiener Ostbahnhofes als Teil des Wien-Gloggnitzer-Bahnhofes. 1871, - als Folge des deutschfranzösischen Krieges - und eines dadurch verursachten Zusammenbruchs der europäischen Finanzwirtschaft kamen die Privatbahnen der Monarchie in Schwierigkeiten. Der Staat war dadurch gezwungen, um den Ausbau und Betrieb des Eisenbahnnetzes nicht zu gefährden, Eisenbahngesellschaften zu verstaatlichen. 1874 wurde auch die STEG verstaatlicht. Erstmals wurden die Streckenabschnitte Wien-Bruck/Leitha (szt. ung. Grenze) und die inzwischen fertiggestellten Teilstrecken in Ungarn nach Györ und Ujszöny als Ostbahn bezeichnet. 1909 geht die STEG als nunmehrige Ostbahn endgültig in das Eigentum der k.k. Staatsbahnen über. 1914, nach Ausbruch des 1. Weltkrieges, erlebt die Ostbahn einen kurzen Aufschwung. Wien, als Haupt- und Residenzstadt der Monarchie, wird zum Ausgangspunkt unzähliger Truppen- und Kriegsmaterialtranporte zu den östlichen und südöstlichen Kriegsschauplätzen. Als kriegswichtige Schienenverbindung wird der doppelgleisige Ausbau der Ostbahn vorangetrieben. 1918, nach dem Kriegsende und Zusammenbruch der Monarchie, verliert die Ostbahn aufgrund der Grenzlage der Ersten Republik Österreich schnell wieder ihre regionale und internationale Bedeutung zu den Nachfolgestaaten mit unsicheren politischen Verhältnissen. 1921 wird im neuen österr. ung. Grenzverlauf gemäß den Bestimmungen des Friedensvertrages von TRIANON und Angliederung des Burgenlandes an Österreich Straß - Sommerein (Hegyeshalom) zum neuen österr. ung, Grenzbahnhof. Rückläufige Zahlen in der Personen- und Güterbeförderung und finanzielle Schwierigkeiten der neuen Österreichischen Bundesbahnen (BBÖ) als selbständiger Wirtschaftskörper bringen die Ostbahn in die Situation gravierende Betriebseinschränkungen und Abstellungen von Rollmaterial zu veranlassen. 1934 wurde in Zusammenarbeit mit den Ungarischen Staatsbahnen (MAV) versucht, durch einen Schnellverkehr mit Schienentriebwagen nach Budapest den grenzüberschreitenden Verkehr zu beleben. Diese Maßnahme brachte - wie vielseitig befürchtet - nur eine geringe Auslastung. 1938, nach der Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland - übernahm die Deutsche Reichsbahn die Anlagen und den Betrieb. Wieder wurde die Ostbahn für Auseinandersetzungen "kriegsbereit" gemacht. Zwischen 1943 - 1945 zerstörten Bomberflotten der Alliierten systematisch strategisch wichtige Anlagen, Rollmaterial und Produktionsstätten in der "Ostmark". Kampfhandlungen der Deutschen Wehrmacht mit der vordringenden Roten Armee trugen vielfach zur endgültigen Zerstörung noch intakter Einrichtungen und Bahnanlagen der Ostbahn bei. Nach dem Kriegsende 1945 wurde der provisorische Zugsverkehr vorrangig für Transporte der Roten Armee wieder aufgenommen. Erst 1955 nach Abschluss des Staatsvertrages und Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen folgten fünf Jahrzehnte des Neuaufbaues und der Adaptierung der Ostbahn nach UIC-Normen zur leistungsfähigen regionalen und internationalen Schienenverkehrsanlage. 1976, mit der Fertigstellung der Elektrifizierung bis in den Grenz- und Stromsystemwechselbahnhof Hegyeshalom und der Inbetriebnahme der Parndorfer Schleife, die für die Anbindung der nordburgenländischen Siedlungsgebiete an das Verkehrsnetz der Ostbahn und in weiterer Folge für die Installierung des Schnellbahn-Taktverkehrs von und nach Wien erforderlich war, gelangte die Ostbahn zunächst in ihrer regionalen Bedeutung auf das Überholgleis. 1984 wurde der Verkehrsverbund Ostregion (VOR), eine Tarifgemeinschaft der regionalen Verkehrsunternehmen der Bundesländer Wien, NO und Bgld. eingeführt. Er brachte eine massive Steigerung der Fahrgastzahlen (Pendler). 1986 ging der größte Zugbildungsbahnhof für Güterzüge in der Ostregion, der Zentralverschiebebahnhof Kledering (ZVB), in Betrieb. Die Zu- und Ablaufstrecken der Güterzugführungen verlaufen großteils über die Anlagen der Ostbahn und brachten einen starken Zuwachs der Verkehrsdichte.
1988 erfolgte erstmalig der Einsatz von Zweistromsystem-Lokomotiven (15 kV, 16,6 Hz und 25 kV, 50 Hz) der ÖBB für den Durchlauf Wien - Budapest ohne Lokwechsel (Eurocity Lehar) im Personenverkehr. 1989 fiel der Eiserne Vorhang, der vier Jahrzehnte lang Europa in zwei politische Lager aufgespalten und sich auf die grenzüberschreitenden Schienenverkehrsverbindungen negativ ausgewirkt hatte. Über das Schienennetz der Ostbahn konnten nunmehr in Kooperation mit der RaabOedenburg-Ebenfurter-Eisenbahn (GySEV) der Grenzverkehr mit Ungarn über die Neusiedlersee Bahn bis in die Region Sopron (Ödenburg) erweitert werden. 1993 wurde die Slowakei nach ihrer Abspaltung von Tschechien ein selbständiger Staat, hatte jedoch keine leistungsfähige Schienenverbindung zu den EU-Staaten. Mit europäischen Förderungsmitteln wurde 1999 die von der Hauptstrecke der Ostbahn szt. stillgelegte Verbindung Parndorf- Kittsee reaktiviert, neu adaptiert, für den elektrischen Betrieb ausgerüstet und mit einer 2,5 km langen Neubaustrecke über den neuen slowakischen Grenz- und Systemwechselbahnhof Bratislava - Petrzalka an das slowakische Betriebsnetz angeschlossen. Die Weiterentwicklung von Universal-Elektrolokomotiven, die in mehreren Betriebssystemen eingesetzt werden können, sind im Bereich der Ostbahn sowohl im grenzüberschreitenden Betrieb nach Ungarn und in die Slowakei als auch für die in Österreich liegenden Betriebsgebiete der GySEV zur unverzichtbaren Notwendigkeit im Bereich der Traktion geworden. 2004, mit dem Eintritt der ehem. Nachfolgestaaten der Monarchie in die Europäische Union, wurde die österr. Ostregion aus einer fast ein Jahrhundert dauernden politischen Randlage befreit. Die Ostbahn hat durch diese grundlegenden politischen Veränderungen eine massive Aufwertung erfahren und wurde zu einer zentralen europäischen Schlagader des Schienenverkehrs. Es liegt an den Verantwortlichen an den Schaltstellen der Zukunft, dass für die Ostbahn das Signal auf "Freie Fahrt" gestellt bleibt.

 

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